Von der Faszination Glas gepackt

Es hat etwas Archaisches, wenn man in den Hallen des größten österreichischen Verpackungsglasherstellers steht. Dicke, heiße Luft schlägt einem entgegen. In den großen Maschinen, die vom Schmiermittel schwarz gefärbt sind, werden rotglühende Glastropfen von der zähflüssigen Glasschmelze abgeschnitten. Danach werden sie in einer Form geblasen und – ebenfalls noch rotglühend – als Flaschen und Gläser in allen möglichen Größen auf einem Förderband weiterbewegt.



Es ist heiß und es ist laut. Doch die Arbeit läuft hier, am „heißen Ende“, wie der Beginn der Glasproduktion neben den riesigen Schmelzwannen bezeichnet wird, routiniert ab. 250 bis 300 Tonnen Glas kommen täglich aus der Schmelzwanne. Nach diesem „heißen Ende“ folgt beim „kalten Ende“ das schrittweise und behutsame Abkühlen auf Raumtemperatur, um zu vermeiden, dass die Glasverpackung spröde und brüchig wird.

 

Glas als Tresor: Nichts kommt hinaus, nichts kommt hinein

Seit 1986 stellt Vetropack in Pöchlarn (Bezirk Melk) Verpackungsglas für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie her. „Wo wir versorgen, entsorgen wir auch“, erklärt Johann Eggerth, Geschäftsführer der Vetropack Austria, das Credo der Unternehmens-Gruppe. Bedeutet: Der mit Abstand wichtigste Rohstoff für die Herstellung von neuen Glasverpackungen ist Altglas. 70 Prozent des Gesamtbedarfs werden mit dem, was die Österreicherinnen und Österreicher Tag für Tag in die Altglas-Container werfen, in Pöchlarn zu neuem Glas verarbeitet. „Beim Glas gibt es kein Downcycling wie bei zum Beispiel bei Papier. Aus hundert Prozent Altglas wird wieder hundert Prozent Neuglas – das kann unendlich oft und ohne Qualitätsverlust wiederholt werden“, sagt Eggerth. „Tresor“ nennen die Mitarbeiter von Vetropack ihr Produkt liebevoll. Denn nichts gelangt aus dem Glas ins Produkt, nichts dringt nach außen. Glas bewahrt über lange Zeit hinweg den ursprünglichen Geschmack des Produkts und seine Aromen, Vitamine und Frischegrad.

 

Strenge Diät für Flaschen und Co.

Damit das gelingt, braucht es vor allem eines: Energie. Um auf die für den Schmelzprozess erforderlichen 1.600 Grad Celsius zu kommen, benötigt es viel. „An diesem hohen Energiebedarf kommen wir nicht vorbei“, so Eggerth. Deswegen treibe Vetropack den Recycling-Bereich auch so stark voran – einerseits, um den Kreislauf zu schließen und andererseits, um den Einsatz von Altglas zu erhöhen, weil dessen Verarbeitung weniger Energie verbraucht als die von Primärrohstoffen. „Mit der hohen Recycling-Quote ist Vetropack führend. Kombiniert mit der hohen Sammelquote in Österreich – rund 90 Prozent – sind wir schon auf einem guten Weg“, schildert der Geschäftsführer.  Die Photovoltaik-Anlagen auf den ausgedehnten Hallendächern und ein ausgeklügeltes Abwärmesystem, bei der die Überschusswärme der beiden Schmelzwannen umgewandelt und ins Fernwärmenetz eingespeist wird, setzen noch eines drauf.

Einsparungspotenzial gibt es auch beim Produkt selbst: Es wird getüftelt und geforscht. Und mithilfe der neuen Technologien, Glas kontinuierlich leichter gemacht, ohne bei der mechanischen Festigkeit einbüßen zu müssen. Bei manchen Produkten konnte bereits eine 30-prozentige Gewichtsreduktion erzielt werden, was wiederum zu einer geringeren Menge an zu schmelzendem Glas und Transportgewicht führt.

 

Neuer Lehrberuf: Glasverfahrenstechnik

Nicht weniger, sondern mehr sind hingegen die Bemühungen für die Zufriedenheit der Mitarbeiter geworden. Das fängt mit einem Obstkorb in jeder Etage an und führt bis zu gemeinsamen Fahrrad-Fahrten in die Arbeit, Wanderungen, Yoga-Stunden und Drachenbootfahrten. „Fröhliche, zufriedene Mitarbeiter, die gerne in die Arbeit kommen, sind die besten Mitarbeiter!“, sind Marketing-Chefin Andrea Petrasch und Eggerth überzeugt.

Viel Herzblut hänge auch in der Lehrlingsausbildung – rund 30 sind es aktuell, die bei Vetropack in Pöchlarn ausgebildet werden. Zum Teil in einem neuen Lehrberuf, der erst 2018 startete: Glasverfahrenstechnik. In der Kombination von Mechatronik, Mechanik und der Verfahrenstechnik für die Glasherstellung sind die jungen Fachkräfte universell ausgebildet. Erklärtes Ziel: „Sie – vor allem im Hinblick auf den Fachkräftemangel – auch im Betrieb zu halten“, sagt der Geschäftsführer. Viele Sorgen, dass dieser Gedanke nicht aufgeht, hat Petrasch nicht, denn „einmal von der Faszination Glas gepackt, lässt sie einen nicht mehr los“, verrät sie. Gut vorstellbar, wenn man am heißen Ende steht, und beeindruckt beobachtet, wie aus rotglühenden Glastropfen Gefäße aller Art entstehen.

 

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Dieser Beitrag wurde von der freien Journalistin Carina Rambauske verfasst, die im Auftrag von ecoplus mit Unternehmen und Unternehmerinnen in Niederösterreich – die sich im Bereich Nachhaltigkeit engagieren – gesprochen hat. Diese Best Practice Beispiele der NÖ Wirtschaft wurden besucht, interviewt und vor Ort Kurzvideos gedreht. Die Ansichten dieses Beitrages müssen nicht der Meinung von ecoplus entsprechen.