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Clusterpartner im Fokus – Gutscher Mühle Traismauer GmbH – Timo Kuen-Eggner

Portraitbild von Timo Kuen-Eggner

Die Gutscher Mühle in Traismauer ist eine Mühle mit Geschichte. Bereits im Jahr 1158 ist der Mühlenstandort im Traisental verbrieft und dokumentiert. Seither wird in der Gutscher Mühle Getreide verarbeitet, seit 1866 als „Kunstmühle“. Die Müsli- und Müsliriegelproduktion ist nun seit mehr als 25 Jahren das Hauptgeschäft der Mühle und bietet ein breites Feld für Produktentwicklungen und Innovationen im Snackbereich. Seit März 2024 ist Gutscher Mühle Traismauer Partner im ecoplus Lebensmittel Cluster Niederösterreich.

 

 

Nachhaltigkeit, Gesundheit und schnelle Mahlzeiten stehen im Innovationscamp „Green Food to go“, einem Qualifizierungsprojekt bei dem Sie für die Gutscher Mühle teilnehmen, im Fokus. Wichtige Attribute, welche auch die Produktrange Ihres Unternehmens mitträgt. Welche neuen Eindrücke konnten Sie von den Workshoptagen des Innovationscamp mitnehmen?

Die Breite der Themen, die durch die Vortragenden und Teilnehmer bearbeitet und diskutiert werden ist sehr vielfältig und zeigt, dass es hier für die Zukunft einige Herausforderungen für die Lebensmittelproduzenten aber auch die Konsumenten und Konsumentinnen gibt. Die Qualität der einzelnen Vortragenden aber auch die Zusammenarbeit der Workshopteilnehmer ist hervorragend. Die Teilnehmer des Workshops kommen aus unterschiedlichen Bereichen und sind sehr vielfältig (vom Startup bis zur Lebensmittelproduktion in industriellem Maßstab) und hoch motiviert gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. In den motivierenden Gesprächen hat sich gezeigt, dass Gutscher Mühle Traismauer in vielen Bereichen bereits Vorreiter ist und aktiv an Lösungen und Verbesserungen arbeitet. So haben wir z.B. 2023 die eigene erneuerbare Stromerzeugung massiv ausgebaut. Neben der Modernisierung und Generalsanierung des hauseigenen Wasserkraftwerks wurde auch eine 500 kWp Photovoltaikanlage in Betrieb genommen, um noch unabhängiger von externer Stromversorgung zu sein. An günstigen Tagen kann sogar 100% des Strombedarfes der Gutscher Mühle mit der eigenen Stromerzeugung abgedeckt werden. Unser Ziel ist es 2030 am Standort Traismauer CO2-neutral zu sein. Gemeinsam mit unseren Kunden haben wir u.a. einen Fokus auf Snackkonzepte, die mit reduziertem oder sogar ohne zugesetzte Zucker auskommen und tragen damit bei, den Zuckerkonsum in der Bevölkerung zu reduzieren. Der anhaltende Trend zur Snackification und dem Außer-Haus Verzehr ist eine ideale Voraussetzung, um an innovativen und vielfältigen Snackvariationen zu arbeiten und idealerweise die Bandbreite von gesund bis indulgent sowie unterschiedliche Geschmäcker und Ernährungsbedürfnisse anzusprechen.

 

Klimafitte Getreidesorten sind in vielen Diskussionen vertreten, wie geht es Ihnen mit Ihren Rohwaren im Hinblick auf Klimaveränderungen?

Der Klimawandel präsentiert uns beim Rohstoffsourcing eine Vielzahl von komplexen Herausforderungen. Wir sehen uns direkt konfrontiert mit den Auswirkungen von Wetterextremen wie Trockenheit, extremen Niederschlägen und Temperaturschwankungen, die beispielsweise zu Spätfrost führen können, sowie außergewöhnlichen Umweltkatastrophen wie Überschwemmungen. So führen unerwartet hohe Temperaturen z.B. zu Trockenstress bei den Pflanzen, was wiederum zu einer Qualitätsminderung durch mikrobiologische Eigenschaften außerhalb der Standards oder einer verstärkten Anreicherung unerwünschter Verunreinigungen wie beispielsweise Schwermetallen führen kann.

 

Zusätzlich zu diesen direkten und unmittelbaren Auswirkungen sehen wir auch indirekte Folgen wie niedrige Wasserstände bei Schifffahrtswegen, die den globalen Warenverkehr beeinträchtigen. Dies führt oft zu Preisschwankungen oder verminderter Verfügbarkeiten bei Rohstoffen. Besonders spürbar waren die negativen Auswirkungen des Klimawandels in letzter Zeit bei wichtigen Rohstoffen wie Kakao, Mandeln, Haselnüssen und Erdnüssen. Angesichts dieser Herausforderungen setzen wir auf eine Strategie der Vorausplanung sowie Anpassung und Innovation, um die Kontinuität unserer Lieferkette zu gewährleisten und die Qualität unserer Produkte zu sichern.

 

Neben dem Innovationscamp „Green Food to go“ ist das Unternehmen auch im Innovationscamp „Decarb4SME“ vertreten und arbeitet gemeinsam mit anderen österreichischen Unternehmen und den Forschungspartnern an der umfassenden Aufgabe der Dekarbonisierung. Welche Erwartungen und Ziele haben Sie an das Projekt?

Gutscher Mühle Traismauer hat es sich zum Ziel gemacht, am Standort Traismauer ab 2030 ohne fossile Energieträger auszukommen. Die größte Herausforderung ist die schwierige Substitution von Erdgas, das derzeit für wärmeintensive Produktionsprozesse unabdingbar ist. Das Innovationscamp ist eine sehr gute Umgebung, um sich zusammen mit Expertinnen und Experten sowie anderen engagierten Unternehmen über die Herausforderungen der Dekarbonisierung auseinander zu setzen. 

 

Lebensmittel sind ein sehr emotionales Thema, beobachten Sie in den letzten Jahren Veränderungen im Verbraucherverhalten oder dem Kaufverhalten? Worauf wird besonders viel Wert gelegt? Welche großen Trends lassen sich im Bereich der Müsliproduktion abbilden?

In den letzten Jahren hat es definitiv Veränderungen im Verbraucher- und Kaufverhalten gegeben, insbesondere im Zusammenhang mit Lebensmitteln. Verbraucher legen immer mehr Wert auf gesunde und individuelle Ernährung und suchen nach Lebensmitteln, die zu ihrem Lebensstil passen. So werden vermehrt Snacks mit hochwertigen, natürlichen Zutaten wie Nüsse oder Trockenfrüchte oder auch zuckerreduzierte Produkte nachgefragt. Auch nachhaltigere Verpackungen wie z.B. 100% recyclingfähige Folien sowie Transparenz und Rückverfolgbarkeit über die gesamte Lieferkette rücken zunehmend in den Fokus. Was sich jedoch nie ändert ist, dass bei all den Zusatznutzen, die ein Snack heutzutage erfüllen muss, der Geschmack im Mittelpunkt steht. Wenn ein Riegel nicht schmeckt, wird er kein zweites Mal gekauft und verschwindet wieder vom Markt.

Der Müslibereich ist lange Zeit hinter den innovativen Entwicklungen im Riegelbereich zurückgeblieben. Seit einiger Zeit ist jedoch bei den Frühstückscerealien eine Trendumkehr zu sehen. Die Entwicklung geht weg von klassischen Müslis oder Granola, dass z.B. mit Zucker gebacken wird, zu Produkten, die speziell auf verschiedene Ernährungsbedürfnisse zugeschnitten sind, wie z.B. glutenfrei, vegan, proteinreich oder zuckerarm. Diese Premiumgranolas und –müslis bestehen aus vollwertigen Zutaten wie Vollkorngetreide, Nüsse, Saaten und Trockenfrüchte, die reich an Nährstoffen und Ballaststoffen sind und schonend verarbeitet werden.

Der aktuelle Trend hin zu hochwertigen und innovativen Snacks sowie Frühstückscerealien im Premiumsegment bietet uns als Kompetenzzentrum eine herausragende Chance zur Entfaltung unserer Expertise in den Bereichen Produktentwicklung, Innovation und Produktion.

 

Wenn Sie sich Themen für ein mögliches Kooperationsprojekt wünschen könnten, welche Inhalte wären das?

Da gibt es aufgrund der zahlreichen Herausforderungen einige Themen. Das neue EU-Lieferkettengesetz, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), wird uns mit Sicherheit beschäftigen. Sobald die Rahmenbedingungen vollständig geklärt sind wäre es interessant, wie die Vorgaben möglichst effizient und praxisnah umzusetzen sind. Im Bereich des Qualitätsmanagements interessiert uns, wie wir unser Unternehmen bei Sensorik, Lebensmittelrecht (Kennzeichnungen und Deklarationsprüfung) oder auch Reinigung in Lebensmittelproduktionen und dem Fremdkörpermanagement weiterentwickeln können. Für innovative Produktentwicklungen sind auch innovative Rohstoffe von Bedeutung. Zu diesem Themenkomplex könnten wir uns ein Projekt zu Süßstoffen und dem Lobbying für neue Zutaten (z.B. Monk Fruit) oder auch detailliertere Einblicke zur Verträglichkeit von Lebensmittel mit Zuckeraustauschstoffen bzw. Proteinen am Beispiel von low sugar Snacks oder auch Mahlzeitenersatzprodukten gut vorstellen. In unserem Unternehmen besteht seit einiger Zeit Bedarf an einfachen und praxisnahen Tools zur Berechnung des CO2-Fußabdrucks von Lebensmitteln. Durch den Austausch mit anderen Unternehmen und relevanten Interessengruppen aus der Wissenschaft sehen wir die Möglichkeit, bedeutende Fortschritte zu erzielen, um unsere Servicequalität kontinuierlich zu verbessern und unsere Kompetenzen auf diesem Gebiet auszubauen.

 

Lieber Herr Kuen, herzlichen Dank für das Gespräch!

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