Das war die Fachexkursion „Natural Ventilative Cooling“
Innovative Lösungen aus der Praxis für Kühlpotenziale durch natürliche Fensterlüftung standen im Fokus der Exkursion des Bau.Energie.Umwelt Cluster NÖ gemeinsam mit UWK.
Knapp 50 Interessierte fanden sich am 25.04.2025 in der Seestadt ein, um sich dem Thema „Natural Ventilative Cooling“ widmen. Am Programm standen 3 Impulsvorträge und die Besichtigung von 3 Gebäuden, in denen innovative Lösungen umgesetzt wurden.
Die Essenz aus den 3 Impulsvorträgen
„Kein Bauvorhaben ohne Lüftungskonzept“
Einstieg ins Thema war der sehr detaillierte Vortrag von Clemens Häusler mit dem selbsterklärenden Titel „Kein Bauvorhaben ohne Lüftungskonzept“. Aufbauend auf den physikalischen Grundlagen stellte er die unterschiedlich notwendigen Luftwechselraten für die drei Fälle „Schimmelvermeidung“, „Hygiene/CO2“ und „natürliches Kühlen“ dar. Das wenig überraschende Fazit ist, dass bei einer zeitgemäßen luftdichten Gebäudehülle ein ausreichender Luftwechsel durch manuelles Lüften praktisch unmöglich ist!
„Bedarfsgerechte Fensterspaltlüftung“
Wie im Schulbau, mit seinen speziellen Anforderungen, eine „natürliche“ Lüftung umgesetzt werden kann, zeigte Elisabeth Winter von der Natürliche automatisierte kontrollierte Fensterlüftung KB GmbH in ihrem Beitrag „Bedarfsgerechte Fensterspaltlüftung“. Der präsentierte Lösungsansatz besteht im Wesentlichen aus den Elementen „automatisch öffenbare Oberlichtfenster“, „Überströmöffnungen“ und „automatisierte Steuerung“. So können in Klassenzimmern die Luftqualitätskriterien von klimaaktiv erreicht werden.
Die Vorteile des Systems liegen in den relativ günstigen Kosten für die Installation, den sehr geringen Betriebskosten und der einfachen Einsatzmöglichkeit in der Sanierung. Diskutiert wurden auch die Grenzen dieses Ansatzes, die vor allem im mangelnden Komfort im Winterfall liegen (keine Temperierung der Zuluft).
„Luftwechsel(Raten) – neue Erkenntnisse für die Praxis“
Aktuelle Forschungsergebnisse aus dem Projekt „CoolBRICK“ präsentierte Markus Winkler von der Universität für Weiterbildung Krems in seinem Vortrag „Luftwechsel(Raten) – neue Erkenntnisse für die Praxis“. Hier wurden erstmal empirisch die tatsächlichen Luftwechselraten von unterschiedlichsten Lüftungssituationen gemessen.
Die Ergebnisse zeigen, dass Nachtlüftung sehr wohl ein Potential zur Vermeidung von aktiver Kühlung darstellt, jedoch nur, wenn entsprechende technische und planerische Voraussetzungen gegeben sind. Die wichtigsten sind: Grundrisse, die eine Querlüftung ermöglichen, sowie automatisiert öffenbare Fenster mit ausreichend großem Lüftungsquerschnitt.
Die Diskussion im Plenum zeigte, dass die Voraussetzungen aktuell nicht gegeben sind und auch schwierig realisierbar sind – insbesondere die Querlüftungsmöglichkeit.
Einblicke in die Lüftungskonzepte der 3 Gebäude
ROBIN Seestadt
Im Anschluss an die Impulsvorträge startete die Exkursion mit der Besichtigung des Bauprojekts „ROBIN“. Vertreter des Bauherrn Soravia stellten das „2226“-Konzept des Bürogebäudes und im speziellen die Lüftungstechnik vor. Zum Objekt
Diese besteht ausschließlich aus automatisierten und CO2-gesteuerten vertikalen Lüftungsflügeln bei jedem Fenster. Nur bei Räumen mit sehr dichter Belegung (Vortrags- und Konferenzräume) wurde ein entsprechend dimensioniertes dezentrales Lüftungsgerät mit Wärmerückgewinnung installiert.
Statt außenliegendem Sonnenschutz schützen nur die tiefen Fensterleibungen im doppelschaligen Mauerwerk vor übermäßigem solaren Wärmeeintrag im Sommer. Im Winter sollen die Wärmeeinträge von den Gebäudenutzenden und elektrischen Geräten ausreichen, um das Gebäude zu temperieren. Da das Gebäude großteils noch nicht besiedelt ist, wird sich die Praxistauglichkeit erst ergeben.
Laut Auskunft der Betreibenden besticht das Haustechniksystem durch sehr niedrige Betriebskosten für Heizung und Kühlung. Sicherheitshalber wurde eine gering dimensionierte, oberflächennahe Bauteilaktivierung in den Geschoßdecken umgesetzt. Jedenfalls überzeugend war die gestalterische Qualität des gesamten Projekts.
Volksschule Wolkersdorf
Die Volksschule Wolkersdorf wurde vor einigen Jahren saniert und erweitert. Mit dabei: eine automatisierte kontrollierte Fensterlüftung. Elisabeth Winter von der Natürliche automatisierte kontrollierte Fensterlüftung KB GmbH führte durch verschiedene Klassenräume, in denen die Lüftungsoberlichten und die schalldämmenden Überströmöffnungen zu sehen waren.
Frau Winter demonstrierte die verschiedenen Öffnungspositionen für die Pausenlüftung (maximaler Querschnitt) und für die Unterrichtslüftung (geringerer Querschnitt zur Reduzierung von Zug und Kaltluft). Gesteuert wird im Wesentlichen auf Basis des CO2-Gehalts und des Stundenplans, wobei jederzeit seitens der Nutzenden die automatische Steuerung manuell geändert werden kann.
Die anwesende Volksschuldirektorin bestätigte die gute Funktionalität und die Zufriedenheit der Lehrenden mit der Art der Lüftung. Der für den Gebäudebetrieb zuständige Gemeindevertreter lobte die „Einfachheit“ und den geringen Wartungsbedarf des Systems.
Das Wetter bei der Exkursion, leichter Regen, zeigte eine Schwachstelle auf: Wegen des programmierten Witterungsschutzes schlossen sich alle Fenster des gesamten Gebäudes, obwohl dies offensichtlich (überstehender fixer Sonnenschutz, Windstille, nur leichter Regen) nicht notwendig gewesen wäre. Work in Progress: Die Weiterentwicklung der Lüftungssteuerung und die Installation von mehreren Wettersensoren wird in naher Zukunft hier Abhilfe schaffen.
Einfamilienhaus in Leopoldsdorf im Marchfelde
Abgeschlossen wurde die Exkursion mit der Besichtigung eines neu errichteten Einfamilienhauses in Leopoldsdorf im Marchfelde. In diesem Projekt von Architekt Martin Rühnschopf wurde das Konzept der automatisierten natürlichen Fensterlüftung in einer Kombination von kippbaren Oberlichten im Erdgeschoss und Dachflächenfenstern in Obergeschoß realisiert.
Hierbei nutzt er die offene Situation des Stiegenhauses für eine optimale Durchströmung. Die BewohnerInnen sind mit dem System sehr zufrieden. Geräuschsensible Personen wird das frühmorgendliche Glockenläuten der benachbarten Dorfkirche und das Motorengeräusch der Fensterantriebe auffallen. Letzteres ist durch modernere Antriebe und Reduktion der Antriebsgeschwindigkeit wesentlich optimierbar.
Nachschau
