Interview mit Clusterpartner Georg Stelzhammer
Innovativ und kreativ - so bezeichnet sich das familiengeführte niederösterreichische Unternehmen Graf-Holztechnik GmbH; setzen sie doch herausfordernde Projekte wie die Notenbandskulptur des Österreich-Pavillons auf der Expo 2025 in Osaka, das G3 Shopping Resort in Gerasdorf oder die Sanierung des TU Wien Kuppelsaales um. Die Graf-Holztechnik ist seit mittlerweile 18 Jahren Clusterpartner im ecoplus Bau.Energie.Umwelt Cluster NÖ.
Clustermanagerin Michaela Smertnig sprach mit Georg Stelzhammer, Leiter Technik + Statik bei der Graf-Holztechnik, über Mitarbeitende als Fundament des Unternehmens, Innovationen, anspruchsvolle Bauprojekte und die Lösungsorientiertheit von Technikerinnen und Techniker.
Michaela Smertnig: Danke, Georg, für die Einladung an euren Standort in Loosdorf und für das Interview! Stell dich und das Unternehmen bitte kurz vor.
Georg Stelzhammer: Gerne. Ich bin ausgebildeter Holztechniker und Bauingenieur und seit 2015 bei der Graf-Holztechnik. Hier leite ich mittlerweile den Bereich Technik, gemeinsam mit meinem Kollegen Wolfgang Steger, und den Bereich Statik. Das heißt, ich bin Ansprechperson für Themen rund um Weiterentwicklung, Normung und Anwendungen im Holzbau. Die auf Holzbau spezialisierte Graf-Holztechnik ist seit 1993 eine eigenständige Tochter von Leyrer + Graf. Mit einem Personalstand von rund 200 Personen versuchen wir möglichst viele Leistungen selbst abzudecken. Unsere Mitarbeitenden handeln qualitätsorientiert und denken langfristig. Das Wissen und die Erfahrung unserer Mitarbeitenden ist unser Grundkapital.
Michaela Smertnig: Das klingt nach viel Investment in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Georg Stelzhammer: Ja, das ist es auch. Wir versuchen, viel Wissen und Erfahrung aufzubauen und intern weiterzugeben, wie z.B. über externe Schulungen oder aber auch über die interne Wissensweitergabe. Ein Beispiel dafür ist der Poliertag, der einmal im Jahr stattfindet. An diesem Tag kommen alle Poliere zusammen, um Informationen über den Verlauf des Wirtschaftsjahres, abgeschlossene Projekte und anstehende Vorhaben zu erhalten. Darüber hinaus haben sie die Gelegenheit, Erfahrungen auszutauschen. Zudem gibt es Weiterbildungen zu Arbeitssicherheit oder Kommunikation auf der Baustelle oder auch zu Gesundheitsthemen. Unser Montagepersonal ist essenziell für unsere Wertschöpfung und ein wesentlicher Qualitätsfaktor, deshalb legen wir viel Wert auf deren Ausbildung und die Einhaltung unserer hohen Standards.
Nachhaltig und ein Meilenstein – das neue Bürogebäude in Horn
Michaela Smertnig: Aktuell baut ihr ein neues Bürogebäude am Standort in Horn – es ist besonders nachhaltig, ÖGNI Gold ausgezeichnet – erzähle uns etwas mehr.
Georg Stelzhammer: Genau. Das Unternehmen wächst und wir brauchen Platz. Unsere Projekte sind nachhaltig und repräsentativ und das soll man auch an unserem Firmenhauptsitz der Graf-Holztechnik sehen. Die ÖGNI-Zertifizierung stellt sicher, dass Bauprojekte nach strengen ökologischen, ökonomischen und sozialen Kriterien bewertet werden. Das neue Bürogebäude erfüllt die hohen Standards, weil wir bereits während der Bauphase auf die Minimierung der Umweltbelastung geachtet haben.
Trockene, vorgefertigte Fußbodenaufbauten mit hoher bauakustischer Performance
Michaela Smertnig: Kommen wir zu Innovationsthemen. Du warst sehr engagiert in unserem gemeinsamen Forschungsprojekt Schall.Holz.Bau III rund um bauakustisch optimierte trockene Fußbodenaufbauten. Was war deine Motivation?
Georg Stelzhammer: Wir haben die Clusterprojekte und die Form der Zusammenarbeit darin ja schon gekannt. Inhaltlich wollten wir mehr vom Fußboden verstehen, wie er funktioniert – sollte er vorfertigbar sein, dann können wir ihn zur Gänze selbst herstellen und diese Leistung bei uns integrieren. Zudem war es mir wichtig, Bauakustik-Know-how im Unternehmen aufzubauen. Denn im mehrgeschoßigen Holzbau haben wir vermehrt Schallschutzthemen. Unsere Leistung beschränkt sich nach wie vor auf die Decke. Wir wollten die Bauakustik rundherum verstehen, dass z.B. ein Nass-Estrich in Kombination mit einer Sichtdecke unterhalb bauakustisch nicht ausreicht. Wir wollten einfach über den Tellerrand blicken. Und dabei haben wir echt viel gelernt…
Michaela Smertnig: Es ist schön, von einem Projektpartner zu hören, dass er vom Projekt profitiert hat. Was hat dich am meisten begeistert?
Georg Stelzhammer: Dass innerhalb kurzer Zeit ein optimiertes, vorfertigbares System entstanden ist, das extrem gute Trittschallschutz-Werte liefert. Und das hat deshalb so gut funktioniert, weil viele Techniker dabei waren. Wir haben einfach auf der richtigen Ebene zusammengearbeitet.
Michaela Smertnig: Und welche Konstruktionen haben sich am vielversprechendsten erwiesen?
Georg Stelzhammer: Für uns war es eine punktgelagerte trockene Wannenlösung, die wir mit viel Eigenpersonal umsetzen können. Wir haben sie prototypisch heuer auch bereits bei unserem eigenen Bauvorhaben in Horn eingesetzt: in einem Geschoß - einfach um daraus zu lernen. Es ist nicht der beste Anwendungsfall, weil wir aufgrund der Rahmenbedingungen eine Aufbauhöhe von 17 cm realisieren mussten, v.a. wegen Leitungsführungen. Der beste Anwendungsfall wäre z.B. ein Hotelgebäude mit baugleichen Zimmern ohne Leitungen im Fußboden. Da ist eine Fußbodenaufbauhöhe von 12 cm möglich.
Marktpotenzial
Michaela Smertnig: Wir haben nun in der Folge ein Projekt Trocken.Estrich 2.0 geplant, in dem wir Unternehmen unterstützen, die identifizierten Trockenestrichlösungen zur Marktreife zu bringen - gemeinsam mit Bauprodukteherstellern, Ausführenden und Auftraggebenden. Denn die Branche fragt dies nach.
Georg Stelzhammer: Die Marktchancen stehen gut - insbesondere, wenn es sich bei den Einsatzgebieten um gleiche Raumgeometrien, ähnliche Raster und wenig Unterschied in den Aufbauhöhen handelt. Demnach wird auch der Vorfertigungsgrad hoch sein.
Vom Netzwerk profitieren - und von Vorfertigung
Michaela Smertnig: Was hast du persönlich aus Schall.Holz.Bau III mitnehmen können?
Georg Stelzhammer: Ein gutes Netzwerk zu anderen Unternehmen auf Techniker-Ebene, denn direkter Kontakt zu den Experten in den Firmen ist wichtig. Zum Beispiel wissen wir jetzt bei Schüttungen, wo die Einsatzbereiche sind und kennen die technischen Ansprechpersonen, nicht nur Vertrieb und Geschäftsführung. Und ich möchte noch sagen: ohne die lösungsorientierten wissenschaftlichen Partner wäre das Projekt nicht so erfolgreich gewesen. Hier haben wir nun auch direkte Kontakte aufgebaut.
Michaela Smertnig: Welche Rolle spielt Vorfertigung für Graf-Holztechnik?
Georg Stelzhammer: Eine sehr große. Es geht um Eigenleistung und damit um eigene Wertschöpfung, um Bauzeitverkürzung, um kontrollierte Bedingungen im Werk, um die Anwendung von Lean-Prinzipien, wie Verringerung von Verschwendungen und das Gewährleisten von Qualität. Durch die gute Planung gibt es keine Überraschungen.
Nachhaltiges Bauen als Vision
Michaela Smertnig: Habt ihr eine Vision, die euch antreibt?
Georg Stelzhammer: Wir wollen im Rahmen unserer Nachhaltigkeitsstrategie einen Beitrag zur Ökologisierung liefern. Nachhaltiges Bauen erfordert einen verstärkten Fokus auf den Lebenszyklus und energieeffiziente Bauweisen. Der Baustoff Holz leistet einen wichtigen Beitrag zur Erreichung unserer Klimaziele und steht sinnbildlich für eine verantwortungsbewusste und zukunftsorientierte Bauweise.
Herausforderungen in der Branche
Michaela Smertnig: Welche Herausforderungen siehst du derzeit für eure Branche?
Georg Stelzhammer: Als Techniker sehe ich v.a. die technischen Herausforderungen. Der Holzbau hat in den letzten Jahren massiv zugelegt, es gibt derzeit einen starken Innovationsdrang, der sehr viele Produkte und Systeme hervorbringt. Diese lassen sich schwer vergleichen, es wird komplexer für die Anwenderinnen und Anwender. Der neue Eurocode 5 wird weitaus umfangreicher als der aktuelle werden. Und es gibt jetzt schon wenige holzbauerfahrene Ziviltechniker und -technikerinnen - deren Zahl wächst nicht im gleichen Ausmaß wie die Projekte. Mit der zunehmenden Komplexität im Holzbau wird dies zu einem Ressourcenthema werden.
Eine Notenband-Skulptur aus Holz für die Expo in Osaka
Michaela Smertnig: Aktuell gibt’s die Möglichkeit, ein besonderes von euch gefertigtes Schmuckstück beim Österreich-Pavillon auf der Expo 2025 in Osaka/Japan zu bewundern. Eine Notenband-Skulptur aus Holz. Erzähle bitte, wie ist es dazu gekommen?
Georg Stelzhammer: Wir wurden von den Architekten angefragt, wie man diese Skulptur überhaupt bauen kann. Unser Antrieb sind wirtschaftliche und nachhaltige Lösungen, und das war auch hier so. Wir haben mit kleinen Versuchen angefangen: mit Fachwerksdiagonalen als Verbindung von Ober- und Untergurten; denn die Träger sind tordiert und gekrümmt und alle Träger sollten leimfrei sein.
Für die Japaner gilt die Skulptur nicht als Kunstwerk, sondern als Bauwerk. Das heißt, wir mussten in der Bemessung volle Lasten annehmen, es muss einem 200 km/h Taifun Stand halten und auch auf Schneelast kombiniert mit Wind und vereistem Streckmetall berechnet sein. Zum Lastabtragen haben wir die Verbindungsmittel und Querschnitte entsprechend dimensionieren müssen. Die Diagonalen bestehen aus drei Brettern, gekrümmt, tordiert und genagelt. Rund 62.000 Nägel sind in den Diagonalen verbaut und ca. 9.500 Schrauben in den Ober- und Untergurten - nach europäischer Norm gerechnet.
Es musste aber auch der japanischen Norm genügen, was die nächste Herausforderung war. Denn in Japan wird nach den Regeln des Zimmermannscode gebaut, der japanisch geschriebenen Büchern zu entnehmen ist. Es gibt auch keine Zulassungen, sondern Prüfungen des gesamten Gebäudes oder dessen Elementen. Zudem ist der Einsatz von Schrauben in Japan nicht üblich. Das heißt, wir mussten die Verbindungen gemeinsam mit Schmid Schrauben an der TU Graz prüfen lassen.
Michaela Smertnig: Ganz schön herausfordernd! Mehr zum Projekt erfahren wir im Webinar "Cluster Talks: Composing the Future" vom Architekt, vom Statiker und von dir am 13.5.2025.
Ein Gewölbedachstuhl für die ehemalige Reitschule
Michaela Smertnig: Es gibt unzählige spannende Projekte, die derzeit durch die Graf-Holztechnik realisiert werden. Ein besonderes Bauvorhaben, das sich gerade in der Ausführungsphase befindet, ist der Gewölbedachstuhl für die ehemalige Reitschule in Grafenegg. Was ist das Herausragende daran?
Georg Stelzhammer: In dem historischen Gebäude entsteht ein neuer Konzertsaal für ca. 500 Besucherinnen und Besucher. Die Besonderheit dabei ist die neue Dachkonstruktion mit einer Dachform als abgewalmtes Bogendach, welches mittels eines räumlich gekrümmten Fachwerks (ähnlich eines Zollingerdaches) ausgeführt wird. Aufgrund der Nutzung als Konzertsaal, in dem auch Tonaufnahmen erstellt werden, gibt es besonders hohe Anforderungen an den Dachaufbau für den Schallschutz.
Das bringt uns der Cluster
Michaela Smertnig: Die Graf-Holztechnik GmbH ist langjähriger Partner im Bau.Energie.Umwelt Cluster NÖ. Was schätzt du am Cluster?
Georg Stelzhammer: Wir haben eine sehr hohe Ingenieurkompetenz inhouse und suchen auch immer wieder den Austausch mit Branchen-Kolleginnen und Kollegen. Der Cluster forciert Gemeinsamkeiten bei der Weiterentwicklung verschiedener Unternehmen und initiiert die entsprechenden Projekte. Das große Cluster-Netzwerk bietet die Möglichkeit, Expertinnen und Experten zu versammeln, die gemeinsam an Lösungen arbeiten, von denen alle gleichermaßen profitieren.
Michaela Smertnig: Wir kommen nun schon zum Ende unseres Interviews. Hast du noch einen Wunsch an das Cluster-Management?
Georg Stelzhammer: Macht weiter so! Bringt bei Projekten die richtigen Ebenen zusammen, bei technischen Themen die Technikerinnen und Techniker - dann entstehen super Lösungen. Insbesondere Themen, die in die technologische Tiefe gehen, interessieren uns sehr. Und unterstützt die Branche.
Michaela Smertnig: Danke, Georg, für die tiefen Einblicke in euer Tun!
Zum Unternehmen
GRAF‑HOLZTECHNIK GmbH
Franz-Graf-Straße 1
A-3580 Horn
https://www.graf-holztechnik.at
Graf-Holztechnik beschäftigt rund 200 Mitarbeitende an insgesamt vier Standorten.
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