Dame arbeitet mit kleinen Pflanzen in Teströhrchen
LightField Studios/Shutterstock.com

Initiative "neue Wertschöpfung mit Lignin"

Die biobasierte chemische Industrie steht vor einer zentralen Herausforderung: Aromatische Kohlenwasserstoffe, die für viele Anwendungen essenziell sind, stammen bislang fast ausschließlich aus fossilen Quellen.

Ausgangslage

Mit dem Ziel, fossile Rohstoffe durch nachhaltige Alternativen zu ersetzen, rückt Lignin als biobasierter Aromatenträger zunehmend in den Fokus. Lignin ist ein Hauptbestandteil lignocelluloser Biomasse (die Zellwände holziger Pflanzen) und fällt in großen Mengen als Nebenprodukt der Zellstoff- und Papierindustrie an. Trotz seiner Verfügbarkeit wird Lignin bislang nur in geringem Maße stofflich genutzt. Die Initiative „Neue Wertschöpfung mit Lignin“ der ecoplus Plattform Green Transformation & Bioökonomie hat es sich zum Ziel gesetzt, dieses Potenzial zu heben und Lignin als Schlüsselrohstoff für eine biobasierte Industrie zu etablieren. 

Die Initiative verfolgt einen systemischen Ansatz, der die gesamte Wertschöpfungskette - von der Rohstoffbereitstellung über die Extraktion bis hin zur Anwendung - berücksichtigt. Sie bringt Forschungsakteure, Unternehmen und politische Entscheidungsträger zusammen, um die technologischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen für eine stoffliche Nutzung von Lignin zu verbessern. Die Erkenntnisse aus dem Ligninfachtag im März 2024, der als Teil der Initiative durchgeführt wurde, liefern wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der Strategie. Ziel ist es, Lignin nicht nur als Ersatzstoff für fossile Aromaten zu etablieren, sondern auch neue Geschäftsmodelle und Anwendungen zu erschließen, die zur Dekarbonisierung und zur Stärkung der regionalen Wertschöpfung beitragen. 

Aktivitäten

Die Initiative „Neue Wertschöpfung mit Lignin“ basiert auf einem umfassenden Verständnis der technologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen entlang der Lignin-Wertschöpfungskette. Der Ligninfachtag 2024 brachte führende Forschungsinstitutionen und Unternehmen zusammen, um den aktuellen Stand der Technik zu diskutieren und konkrete Handlungsempfehlungen zu formulieren. 

  • Rohstoffquellen und Standardisierung 

Die Herkunft des Lignins beeinflusst maßgeblich dessen Eigenschaften und damit die Einsatzmöglichkeiten. Unterschiedliche Baumarten und Extraktionsverfahren führen zu unterschiedlicher Qualität, was die industrielle Nutzung erschwert. Die Initiative empfiehlt daher die Entwicklung standardisierter Messkriterien und die Etablierung von Qualitätsklassen für Lignin. Besonders die Wasserlöslichkeit wurde als entscheidender Parameter für viele Anwendungen identifiziert. Eine zentrale Herausforderung besteht in der Sicherstellung verlässlicher Rohstofflieferungen und der Standardisierung von Produktionsprozessen. 

  • Aufschlussverfahren und dezentrale Produktion 

Die Extraktion von Lignin erfordert angepasste Verfahren, die je nach Rohstoffquelle variieren. Während die Zellstoffindustrie über etablierte Prozesse verfügt, fehlt es für Reststoffe und Nebenprodukte an geeigneten Technologien. Die Initiative sieht großes Potenzial in der Entwicklung energieeffizienter, dezentraler Verfahren, die sich in bestehende Bioraffinerien integrieren lassen. Schwefelfreie Extraktionsmethoden und die gezielte Produktion hochwertiger Ligninqualitäten stehen dabei im Fokus. Die Kooperation zwischen Forschungseinrichtungen mit komplementärem Know-how soll intensiviert werden, um skalierbare Lösungen zu entwickeln. 

  • Lignin-Downstream und Anwendungen 

Die stoffliche Nutzung von Lignin eröffnet vielfältige Anwendungsmöglichkeiten, etwa als Ersatz für Phenol in Klebstoffen, als UV-Filter in Kosmetika oder als aktives Material in Redox-Flow-Batterien, die elektrische Energie in chemischen Verbindungen speichern. Die Initiative hebt hervor, dass die Eigenschaften des Lignins – etwa elektrische Leitfähigkeit oder antioxidative Wirkung – gezielt für spezifische Anwendungen genutzt werden können. Spin-offs wie die Lignovations GmbH oder die ECOLYTE GmbH zeigen, dass marktfähige Produkte bereits entwickelt wurden. Dennoch gibt es Hürden beim Markteintritt, insbesondere in Europa, wo eine gewisse Zurückhaltung gegenüber biobasierten Innovationen besteht. Die Initiative empfiehlt daher eine enge Abstimmung mit potenziellen Kunden und die Entwicklung von Partnerschaften entlang der Wertschöpfungskette. 

  • Innovationsnetzwerk und regionale Verankerung 

Die Initiative betont die Bedeutung eines regionalen Innovationsnetzwerks, das Forschung, Industrie, Verwaltung und Bildungseinrichtungen zusammenbringt. Fachschulen und Hochschulen sollen aktiv in Projekte eingebunden werden, um das Bewusstsein für die Potenziale von Lignin zu stärken. Die ecoplus Plattform Green Transformation & Bioökonomie sieht sich als Katalysator für diese Vernetzung und als Impulsgeber für neue Geschäftsmodelle im Bereich der Bioökonomie. 

Fazit/Ausblick

Die stoffliche Nutzung von Lignin bietet große Chancen für die biobasierte Industrie, die Dekarbonisierung und die regionale Wertschöpfung. Gleichzeitig erfordert sie intensive Innovationsarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die Initiative „Neue Wertschöpfung mit Lignin“ der ecoplus Plattform für Green Transformation & Bioökonomie zeigt, dass die technologischen Grundlagen vorhanden sind, aber noch erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf besteht. Insbesondere die Standardisierung von Ligninqualitäten, die Entwicklung skalierbarer Extraktionsverfahren und die Etablierung neuer Anwendungen müssen vorangetrieben werden. 

Die Initiative empfiehlt, Innovationsprojekte gezielt zu fördern und die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie zu intensivieren. Spin-offs und Start-ups spielen dabei eine wichtige Rolle, da sie neue Produkte schneller zur Marktreife bringen können. Gleichzeitig braucht es politische Unterstützung, etwa durch Förderprogramme und regulatorische Klarheit, um Investitionen in die stoffliche Nutzung von Lignin zu erleichtern. 

Lignin kann zu einem zentralen Baustein der biobasierten Industrie werden – vorausgesetzt, die Innovationsarbeit wird konsequent fortgesetzt und die Akteure entlang der Wertschöpfungskette arbeiten gemeinsam an der Umsetzung. Die ecoplus Plattform Green Transformation & Bioökonomie wird diesen Prozess weiterhin aktiv begleiten und Impulse für die Weiterentwicklung geben. 

Darüber hinaus entstehen neue Geschäftsmodelle im Umfeld der Bioökonomie, etwa durch regionale Innovationsnetzwerke wie jenes in Melk/Scheibbs. Die Rückführung von Gärresten als Dünger für die Landwirtschaft stärkt regionale Stoffkreisläufe und reduziert den Bedarf an mineralischen Düngemitteln. Biomethan leistet damit nicht nur einen Beitrag zur Energiewende, sondern auch zur nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums. Die Umsetzung der Biomethanstrategie in Niederösterreich ist ein Beispiel dafür, wie Klimaschutz, Wirtschaft und Versorgungssicherheit sinnvoll miteinander verbunden werden können.