Gelber Sternenkreis: Niederösterreichs Wirtschaft stark vernetzt – 25 Jahre EU

Von Kaisers Garten in Europas Fußballstadien

3 Generationen der Familie Richter Rasen

Wir schreiben das Jahr 1906: Kaiser Franz Joseph wünscht für sein Schloss Schönbrunn einen wunderschönen grünen Rasen. Der Ururgroßvater von Bianca Götz-Richter – eigentlich Fassbinder von Beruf – hört davon und überlegt, wie er seinem Kaiser diesen Wunsch erfüllten könnte. Nach kurzer Zeit kommt ihm die Idee, aus einer Hutweide Rasen-Ziegel auszustechen und diese in Wien auf der Ringstraße zu verlegen. Gesagt, getan. Rund ein Jahrhundert später spaziert nicht mehr der Kaiser über das saftige Grün von Richter Rasen.



Sondern es sind die Profi-Fußballer, die vor Millionen von Zuschauern über den Rasen rennen, um den Ball ins Tor zu kicken. Bayern München, Juventus Turin, SC Freiburg, die Champions League und diverse Europameisterschaften, zuletzt jene 2016 in Frankreich – sie alle setzen, wie einst der Kaiser, auf Richter Rasen aus Deutsch Brodersdorf (Bezirk Baden).


Fußball auf reinem Naturrasen

„Mit unserer Qualität sind wir einer der führenden Hersteller in Europa“, sagt Bianca Götz-Richter, die mit ihrem Mann Philipp das Unternehmen in fünfter Generation führt. „Weil wir als einziger auf reinem Quarzsand produzieren – das ist unser USP, durch den wir uns von allen anderen abheben.“ Entdeckt wurde dieser Bodenschatz von ihrem Großvater. Durch Zufall. Während einer Dienstreise, zwölf Kilometer nach der Grenze bei Hohenau in der Slowakei. Um sich die Beine zu vertreten, stieg er aus dem Auto und trat auf Quarzsandboden. „Mein Großvater merkte sofort, dass er hier auf etwas Einzigartiges gestoßen ist“, erzählt seine Enkelin. Denn dank ihrer Wasserdurchlässigkeit und der Nährstoffversorgung sind Quarzsandböden vor allem für Fußballrasen optimal. Warum? „Ganz einfach“, erklärt Götz-Richter, „Wenn der Fußballer in den Rasen rutscht, muss er enormen Belastungen standhalten, weswegen er häufig mit Plastik unterstützt wird. Wir machen das nicht. Wir schaffen diese Qualität mit reinem Naturrasen und erzielen eine Scherfestigkeit und Stabilität, wie sonst keiner.“

 

Gut gewachsen

Sukzessive hat das Familienunternehmen daraufhin Flächen gekauft und vor 15 Jahren die gesamte Produktion dorthin verlagert. In Summe sind es 600 Hektar Fläche, wovon jedes Jahr auf einem Drittel Rasen angesät wird. Dafür investiert das Unternehmen in Forschung, tüftelt an den Maschinen, sucht kontinuierlich nach der perfekten Saatmischung und gibt dem Rasen vor allem eines: Zeit. Bis zu zwei Jahre lassen sie ihren Fußballrasen wachsen, bis sie ihn ernten. „Wir waren immer schon der Meinung, dass wir einen Rasen produzieren wollen, der lange hält. Eine längere Produktion ist aufwändiger, aber im Endeffekt bringt es einfach mehr“, ist die Niederösterreicherin überzeugt. Zusätzlich ist das Wetter in der Gegend extremer als anderswo. An Temperaturen von minus 30 ° Celsius im Winter und bis plus 40 ° Celsius im Sommer sind die Gräser gewöhnt und daher weltweit einsetzbar.

 

EU: Ein Arbeiten wie zu Hause

Rund 45.686.244 m² Rollrasen verlegte das Unternehmen bisher. 16 Rasensorten und vier unterschiedliche Rasentypen haben sie entwickelt und vertreiben sie in der ganzen Welt. „Der EU-Beitritt hatte einen großen Einfluss auf diese Entwicklung“, betont die Geschäftsführerin. „Die Produktion wäre in dem Ausmaß sonst nicht möglich gewesen.“ Mit dem Beitritt der Slowakei in die EU und der Öffnung des Schengen-Raums griff auch die Öffnung des freien und uneingeschränkten Personenverkehrs. Alle paar Tage pendeln die beiden von Niederösterreich in die Slowakei, während gleichzeitig jede Woche Rasen für den privaten Gartenbedarf von dort nach Deutsch Brodersdorf geliefert werden. „Mein Großvater erzählt mir heute noch, dass sie, bevor die Slowakei zur EU kam, jedes Mal Zoll abwickeln mussten. Das waren viele Lkw in der Woche und ein riesiger Aufwand“, erzählt Bianca Götz-Richter.

Die Vereinheitlichung des europäischen Wirtschaftsraumes habe geholfen, europaweit Fußballstadien ohne Zoll und ohne Beschränkungen beliefern zu können. Aber auch, um dort unkompliziert arbeiten zu können. Gemeinsam mit Firmenchef Philipp sind die Mitarbeiter von Richter Rasen in ganz Europa unterwegs, um den Rasen, den sie monatelang vom Saatkorn mit zum ausgewachsenen Grashalm betreut haben, optimal zu verlegen. In manchen Fällen bauen sie ganze Plätze und sind über Wochen im jeweiligen Stadium vor Ort. „Was für uns keinen Unterschied macht. Die Arbeit im EU-Raum ist für uns so, als ob wir in Österreich arbeiten würden.“

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Dieser Beitrag wurde von der freien Journalistin Carina Rambauske verfasst, die im Auftrag von ecoplus mit Unternehmen und Unternehmerinnen in Niederösterreich gesprochen hat. Unter dem Leitsatz „Regional stark und international vernetzt“ werden Unternehmen aus Niederösterreich exemplarisch vor den Vorhang gebeten, um ein Resümee der Erfahrungen und Entwicklungen der vergangenen Jahre zu ziehen. Die Ansichten dieses Beitrages müssen nicht der Meinung von ecoplus entsprechen.